Im Blickfeld: Die „Special Olympic World Games“
Bedeutung einer Sportveranstaltung…
Seit dem 25.Juli und noch bis zum 2.August sind sie auf der sportlichen Agenda – die vierzehnten sommerlichen „Special Olympic World Games“ in Los Angeles, deren Premiere vor fast 50 Jahren, 1968, in Chicago stattfand. Eine Sportveranstaltung für Athletinnen und Athleten mit geistigen Handicaps…
Zwischen Historie und Gegenwart
Die sommerlichen „Special Olympic World Games“ fanden übrigens bis zum Jahr 2003 ausschließlich in amerikanischen Städten statt – Dublin war 2003 der erste Austragungsort außerhalb der USA. Seit 1977, Austragungsort: Steamboat Springs, gibt es zudem auch winterliche „Special Olympic World Games“. Bei diesen speziellen Winterspielen gestaltete sich die Entwicklung im Vergleich zu den Sommer-Events ähnlich.
US-Städte richteten diese zunächst aus, im Jahr 1993 wurden sie erstmals außerhalb der Vereinigten Staaten organisiert – in Salzburg und Schladming. Die letzten speziellen Winterspiele gab es 2013 in Pyeongchang, die Sommer-Ausgabe 2011 in Athen.
Starkes deutsches Team 2015 dabei
Bei den diesjährigen „Special Olympic World Games“ starten rund 6500 Athletinnen bzw. Athleten aus 165 Ländern. Darunter ist auch eine deutsche Delegation mit 194 Sportlern, Trainern, Betreuern und Offiziellen. 138 Sportlerinnen und Sportler sind aus deutscher Sicht bei Wettbewerben in 18 Sportarten vertreten. davon sind 23 Sportler ohne Behinderung als Partner dabei.
„Wir wollen als fünftgrößte Delegation im Verbund der 165 teilnehmenden Nationen diese großen Weltspiele für Menschen mit geistiger Behinderung im Sinne der Selbstbestimmung und Teilhabe aktiv mitgestalten und – auch durch unsere Unified Teams (gemischte Mannschaften aus Athleten mit und ohne Handicaps – red.A.) – Signale für inklusiven Sport setzen. Alle 138 Athletinnen und Athleten sind voller Vorfreude auf die Weltspiele und ich bin sicher, dass sie durch ihr Auftreten und
ihre Leistungen hervorragende Botschafter für Deutschland sein werden.“, so die Meinung der „Special Olympic Deutschland“-Präsidentin Christiane Krajewski vor den derzeitigen Spielen in L.A..
Noch einer Erwähnung wert?!
Nur: Sollte gemeinsames Handeln, gemeinsames Agieren von Menschen mit und Menschen ohne Handicap nicht eine Selbstverständlichkeit sein?! Dass Menschen mit Handicaps geholfen wird, sie in die Mitte der Gesellschaft genommen werden und ihnen Unterstützung zugebilligt wird… Bedarf es da noch spezieller Spiele und Programme?!
Es ist eher traurig, dass das noch Erwähnung finden muß.
Muß Verena es richten?!
Seit 18 Monaten hat die „deutsche Bundesregierung“ zudem eine neue Behindertenbeauftragte – mit Verena Bentele. Eine grossartige Sportlerin mit Handicap, die in ihrer aktiven sportlichen Laufbahn Willensstärke, Kampfgeist, Leistungsbereitschaft, Engagement und viel Fleiss offenbarte, wurde sowie wird auf diese Weise zu Recht und verdient geehrt. Ihre Berufung als Behindertenbeauftragte hätte in der Tat „frischen Wind“, neue Perspektiven und neue Wege für diese Funktion, dieses Amt bedeuten können.
Verena Bentele weiss aus ihren Erfahrungen, als sie noch nicht sechzehnfache paralympische Medaillengewinnerin war – dabei übrigens 12 x Paralympics-Gold zwischen 1998 und 2010 im Skilanglauf sowie Biathlon gewann – wie Menschen mit Handicaps in Deutschland nicht wegen der vermeintlichen Handicaps „behindert“ werden, sondern durch Menschen ohne vermeintliche Handicaps erst „Behinderungen“ erfahren müssen.
Allein diese Bezeichnung „Behindertenbeauftragte“ war und ist defensiv gewählt. Warum nicht, auch wenn etwas länger, „Beauftragte für Menschen mit Handicaps“. Allein das Wort „Behinderungen“ suggeriert etwas Negatives, Sperriges und Nachteiliges.
Nicht die Politik hat Lob verdient…
Vor 18 Monate lehnte sich zudem Friedhelm Julius Beucher in der Tat weit vor – nämlich, dass sich durch die Berufung von Verena Bentele die Merkel-Gabriel-Seehofer-Regierung eine „Goldmedaille“ verdient habe. … Man diese Personalie zudem als ein Signal betrachte, dass die Bundesregierung der Behindertenpolitik einen hohen Stellenwert einräume. Und: Die Berufung von Verena Bentele ferner ein gewichtiger Gedanke zur Inklusion sei, also der Gleichstellung behinderter und nichtbehinderter Menschen… (Aber das ist doch längst „festgeschrieben“ im „Grundgesetz“!)
Mal abgesehen davon, dass in den letzten 25 Jahren nur verbal und formal etwas für die Belange „behinderter“ Menschen seitens der diversen Bundesregierungen „getan“ wurde und letztendlich die Realitäten andere, eher bittere, für die Menschen mit Handicaps waren, ist es schon ein „starkes Stück“ wie hier von politischer Seite versucht wurde und wird, eine erfolgreiche und charakterstarke Sportlerin für eigennützige politische Ziele zu instrumentalisieren und zu vereinnahmen.
Schön, dass die politische Administration in Deutschland den Hochleistungssport für Menschen mit Handicaps fördert, in Kooperation mit Sponsoren. Da ist in den letzten 15 Jahren in der Tat eine positive Entwicklung zu verzeichnen. Aber so selbstlos und gönnerhaft sind unsere Sportpolitiker und Sponsoren jedoch nicht: Jede Medaille bei EM, WM sowie Olympischen und Paralympischen Spielen „glänzt“ nun einmal und unsere Damen und Herren Politiker sind Narzissten und Marketingstrategen genug, um selbst vom Glanz fremder Medaillen etwas erheischen zu wollen. Es wird sich daher mit den Leistungen Anderer geschmückt – nach der Devise: „Seht her, ohne `unsere` Förderung wäre das nicht möglich gewesen!“
Was für eine Scharade! Nicht die Politik und Sponsoren sind die Förderer unter anderem auch des Hochleistungssportes für Menschen mit Handicaps, sondern die ehrlichen, fleissigen und leistungsbereiten Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, ob mit oder ohne Handicaps.
Nicht nur Hochleistungssportler mit Handicaps sind ambitioniert
Es gibt hingegen auch viele Frauen und Männer mit Handicaps in der deutschen Gesellschaft, ohne hochleistungssportive Ambitionen, die sich bestens qualifizierten, talentiert in künstlerischen, wissenschaftlichen, ökonomischen, politischen oder sozialen Bereichen sind, aber „irgendwann“ in ihrem Leben – der eine früher, der andere später – „unsichtbaren Mauern“ begegnen, die trotz grösster Anstrengungen nicht zu überwinden sind. Nach wie vor.
Aber: Aus ökonomisch-politischer Sicht läßt sich auch der Hochleistungssport für Athleten mit Handicaps prima politisch und monetär vermarkten. Das, was bei anderen Menschen mit Handicaps nicht so geht… Und Geld bzw. Profit ist ja das Nonplusultra in der heutigen Gesellschaft.
Die Sache mit dem „Marktwert“…
Wie meinte ein angeblicher sozialer Demokrat in M-V auf die Frage eines hoch qualifizierten Menschen, der zwar Sport, aber nicht Hochleistungssport betreibt, ob er nicht eine berufliche Chance erhalten könne: „Wir brauchen Menschen, die nicht Geld kosten, sondern mit denen wir Geld verdienen können!“. Der „Marktwert“ des Fragestellers wurde von diesem sozialen Demokraten mit „Null“ beziffert, trotz mehrerer akademischer Abschlüsse, Zusatz-Ausbildungen, Berufspraxis und stetigen Engagements.
Dann wollen wir mal hoffen, dass der „Marktwert“ der speziellen Olympianer in L.A. höher sein wird. Zum „Hammer“ der Sponsoren, zur „Ähre“ der Politiker und zur „Sichel“ des Pharisäertums.
Verena Bentele – und das sollte man auch würdigen – hat in den letzten 18 Monaten immer wieder Einsatz für benachteiligte Menschen mit Handicaps in Deutschland gezeigt, brachte Missstände zur Sprache, half insbesondere auch den Sportlern mit Handicaps für die Realisierung von deren Lebensziele und übte auch Kritik, wie Menschen mit Handicaps hierzulande noch immer behandelt werden.
Leider haben wir jedoch „sportive“ Politikerinnen und Politiker „mit Teflon-Beschichtung“, an denen perlt jede Kritik ab – und es wird, ganz politisch-souverän, weiter gelächelt…
Marko Michels
Foto/Michels: Die Judoka Ramona Brussig (Athletin mit visuellen Handicaps) mit Schweriner Judokas ohne Handicaps – das ist gelebte Integration und wird in M-V schon lange praktiziert (links: Der 2014 viel zu früh verstorbene Trainer Matthias Hermann.).