Zehn Tage Turnsport auf höchstem Niveau
Stuttgart 2019 im Rückspiegel
Zehn Tage Turnen auf höchstem Niveau sind Geschichte. Stuttgart organisierte ausgezeichnete und stimmungsvolle Welttitelkämpfe im Turnsport, mithin die 49. seit 1903.
Und es gab – nicht nur, aber auch – Jubel bei den deutschen Turnerinnen und Turnern bei den Heim-WM in Stuttgart, die genau vom 4.Oktober 2019 bis 13.Oktober 2019 stattfanden.
Olympia-Qualifikation für die deutschen Teams
Beide Riegen schafften die Olympia-Qualifikation. Zudem erreichten bei den Frauen Elisabeth Seitz bzw. Sarah Voss und bei den Herren Andreas Toba für das Mehrkampf-Einzel-Finale der besten 27. Und als Zugabe sicherten sich in Stuttgart Elisabeth Seitz (Stufenbarren), Sarah Voss (Schwebebalken), Nick Klessing (Ringe) und Lukas Dauser (Barren) weitere Finalplätze an den Einzelgeräten.
Eine gute Bilanz, denn an den WM 2019 nahmen 547 Turnerinnen bzw. Turner aus 92 Ländern teil. Die ungemein starke Konkurrenz war also zahlreich vorhanden.
Medaille für Schwarz-Rot-Gold leider verpasst
Leider reichte es für die Sportlerinnen und Sportler des Deutschen Turner-Bundes nicht zu erhofften Medaillen – insbesondere in den Einzel-Finals. Lukas Dauser, der Qualifikationsbeste am Barren, riskierte leider zu viel. Ebenso Elisabeth Seitz am Stufenbarren. Beide sind dennoch aussichtsreiche Medaillen-Aspiranten bei OLympia 2020 in Tokyo, zumal Elisabeth Seitz in Stuttgart einen herausragenden Einzel-Mehrkampf zeigte, zwischenzeitlich Dritte war und am Ende sehr gute Sechste wurde.
Dennoch nach Dortmund 1994 sind es die zweiten Turn-WM in Deutschland, bei denen die Gastgeber medaillenlos blieben. In Dortmund vor 25 Jahren standen ohnehin nur die Team-Wettbewerbe der Frauen und Herren auf dem Programm…
Bei den anderen Turn-Weltmeisterschaften in Deutschland, 1966 in Dortmund, 1989 in Stuttgart oder 2007 ebenfalls in Stuttgart, gab es stets Plaketten für die Deutschen: 1966 zwei Medaillen, 1989 sieben Medaillen, darunter Golf für Jörg Behrend (Sprung) bzw. Andreas Aguilar (Ringe), und 2007 drei Medaillen, darunter Gold für Fabian Hambüchen (Reck).
Überragende Simone, starker Nikita
Medaillen holten sich 2019 eben die Anderen. Bei den Frauen dominierten die USA mit fünfmal Gold, zweimal Silber, einmal Bronze. Simone Biles triumphierte dabei fünfmal. Nur einmal siegte in Stuttgart 2019 eine andere Turnerin: Titelverteidigerin Nina Derwael aus Belgien am Stufenbarren.
Für die 22jährige Amerikanerin Simone Biles bedeuteten die WM-Goldenen von 2019 die Titel Nr. 15, 16, 17, 18 und 19. Dazu hat die Ausnahme-Turnerin noch vier Olympia-Goldmedaillen von 2016 und zwei Goldene der Pazifik-Spiele 2016 „in ihrer Vitrine“. Dazu kommen noch weitere Siege und Erfolge bei Weltcups, überregionalen Wettkämpfen und nationalen Meisterschaften…
22 Lenze – wie Simone Biles – zählt auch der beste WM-Turner von Stuttgart 2019 Nikita Nagorny. Er erkämpfte bei den Welt-Titelkämpfen drei Goldene. Davor brillierte Nikita Nagorny bereits bei den Olympischen Jugend-Sielen 2014 mit drei ersten Rängen, 2016 bei Olympia mit Team-Silber und von 2015 bis 2019 mit sechs EM-Titeln. Dank Nikita war Russland auch die beste Turn-Nation 2019 bei den Herren mit dreimal Gold, zweimal Silber bzw. einmal Bronze.
Einzelkämpfer anderer Nationen mit Gold-Momenten
Nur Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer anderer Länder hatten bei den Welt-Titelkämpfen in Stuttgart Gold-Chancen – die sie auch nutzten: Bei den Frauen die schon erwähnte Nina Derwael am Stufenbarren und bei den Herren Carlos Yulo (Philippinen) am Boden, Arthur Mariano aus Brasilien, der vor Ahmat Önder (Türkei) am Reck siegte, und Ibrahim Colak (Türkei) an den Ringen.
Zwei Briten sorgten in Stuttgart außerdem für Furore. Max Whitlock gewann am Seitpferd. Schon 2015 sowie 2017 hatte er bei den WM an diesem Gerät gesiegt – und 2016 dort auch Olympia-Gold errungen. Sein Landsmann Joe Fraser überraschte hingegen die Konkurrenz am Barren.
Kein Gold für Japan und China
Für negative Überraschungen sorgten allerdings fünf einstige große Turn-Nationen. Für Japan, dem Olympia-Gastgeber 2020 in Tokyo, gab es nur zweimal Bronze. Nur zweimal Bronze erkämpfte auch die Ukraine. China schaffte zwar dreimal Silber, zweimal Bronze, blieb aber sieglos und insgesamt unter den Erwartungen. Ganz ohne Medaillen blieben die einstigen Turn-Top-Nationen Rumänien, Ungarn und Bulgarien. Auch die Schweizer, Franzosen und Skandinavier verpassten WM-Edelmetall…
In rund neun Monaten steigen die olympischen Turn-Wettkämpfe in Tokyo 2020. In der japanischen Hauptstadt kann vielleicht manches in puncto Turnsport schon wieder ganz anders aussehen.
Marko Michels