Starke Frauen und Männer in Pattaya
Eine Traditionssportart am Scheideweg
Kürzlich, im September 2019, waren auch die Gewichtheberinnen und Gewichtheber weltmeisterlich gefordert. In Pattaya (Thailand) ging es dabei um jeweils zehn Entscheidungen bei den Frauen und bei den Herren.
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit. Denn: Gewichtheben ist nicht mehr „im Trend“, ist nicht mehr sonderlich beliebt. Diese traditionsreiche Sportart, in der seit 1891 WM ausgetragen werden und das seit den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit 1896 Bestandteil im dortigen Programm ist, hat an Attraktivität deutlich verloren.
Exorbitante Doping-Probleme
Schuld haben viele Verbände und nicht wenige Sportler daran selbst. Spätestens seit den 1970ern haben die Gewichtheber ein immenses Doping-Problem. Durch die immer besser werdenden Kontrollen mussten in den Jahren zwischen 2003 und 2016 von 336 gewonnenen Medaillen bei Olympischen Spielen, WM und Kontinentalmeisterschaften knapp die Hälfte neu vergeben werden, weil deren Trägerinnen und Träger vor bzw. nach den Wettkämpfen des Dopings überfuhrt wurden, wie der Dopingbeauftragte des Bundesverbandes Deutscher Gewichtheber dazu feststellte.
Kampf gegen das Doping
Der Kampf gegen das Doping, speziell auch im Gewichtheben, wird also stetig erfolgreicher.
So wurde sogar der Gastgeber der WM 2019, Thailand, wegen einiger Dopingvergehen gesperrt. Eine WM ohne eigene Athleten – das ist schon ein Exempel.
Ein neues Qualifikationssystem für Olympia, temporäre Sperren selbst für einstige Top-Nationen, neue Gewichtsklassen, Streichung alter, fragwürdiger Rekorde – auch Gewichtheben ist im Umbruch.
Das IOC drohte ja ohnehin bereits mehrfach, Gewichtheben aus dem olympischen Programm zu streichen, wenn der internationale Gewichtheberverband (IWF) das Doping-Problem nicht in den Griff bekommt…
Umdenken in den Verbänden?!
Es erfolgt also mittlerweile, ganz allmählich ein Umdenken in vielen Verbänden. Das wurde in Pattaya deutlich, wenn auch mit China – einige Heberinnen und Heber des Reichs der Mitte wurden in den letzten Jahren des Dopings überführt – eine alte Top-Nation wieder „oben auf“ war. Achtzehn Medaillen, darunter zehn Goldmedaillen, holte das Team im Zweikampf. Mit Li Wenwen wurde die amtierende Asien-Meisterin auch Weltmeisterin in der höchsten Gewichtsklasse über 87 Kilogramm – somit die stärkste Frau dieser Welttitelkämpfe im Zweikampf. In der untersten Gewichtsklasse, bis 45 Kilogramm, triumphierte hingegen die amtierende Europameisterin, die Türkin Saziye Erdogan.
Bei den Herren setzten sich in den „prägnanten“ Gewichtsklassen bis 55 Kilogramm bzw. über 109 Kilogramm zwei bewährte Athleten durch.
Bis 55 Kilogramm siegte der nunmehr fünffache Weltmeister, Olympiasieger 2016, Olympiazweiter 2012 und dreifacher Champion bei Asien-Spielen bzw. Asien-Meisterschaften – der Nordkoreaner Om Yun-Chol.
Lasha Talakhadze aus Georgien wurde hingegen der stärkste Mann in Pattaya. Er holte seinen vierten WM-Titel in der höchsten Herren-Gewichtsklasse im Zweikampf (2015/17 über 105 Kilogramm bzw. 2018/19 über 109 Kilogramm). Außerdem gehört dem Georgier bereits Olympiagold 2016 und bei EM ist Lasha seit 2016 ungeschlagen.
Deutsche Athleten ohne Medaillen-Chance im Zweikampf
Die 20 Goldmedaillen im Gewichtheben (Zweikampf) erkämpften in Pattaya China (zehn – wie erwähnt), Nordkorea bzw. Armenien (jeweils zwei) sowie die USA, Weissrussland, Kolumbien, Georgien, Taiwan und die Türkei (je einmal).
Die deutschen Athletinnen und Athleten konnten in den Medaillenkampf in Pattaya allerdings nicht eingreifen. Fünf Sportler und zwei Sportlerinnen vertraten den Bundesverband Deutscher Gewichtheber in Thailand. Dabei erreichte Jon Luke Mau mit Rang zehn im Zweikampf in der Gewichtsklasse bis 61 Kilogramm das beste Resultat.
Rang 11 gab es für Nico Müller (bis 81 Kilogramm). Auf Platz 14 kam Max Lang (bis 73 Kilogramm). Jürgen Spieß belegte Platz 15 (bis 96 Kilogramm) und Simon Brandhuber erklomm Platz 17 (bis 67 Kilogramm).
Die beiden deutschen Gewichtheberinnen der diesjährigen WM, Sabine Kusterer und Lisa Marie Schweizer, starteten beide in der Gewichtsklasse bis 64 Kilogramm. Sabine wurde Sechzehnte. Marie wurde 21.
Aber Medaillen sind bekanntlich nicht alles…
In Tokyo 2020 wird sich zeigen, ob Gewichtheben tatsächlich eine weitere olympische Zukunft haben wird.
Marko Michels