Mehrheit gegen Gerichtsschließungen
Volksentscheid dennoch gescheitert
Berlin (DAV). Der Volksentscheid gegen die Gerichtsschließungen ist am notwendigen Quorum gescheitert. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) weist aber darauf hin, dass dies dennoch kein Freibrief für die Politik ist. Die Gegner der Gerichtsschließungen haben mehr Stimmen erhalten, als jede Fraktion im Schweriner Landtag bei der letzten Landtagswahl. Nun bedarf die weitere Umsetzung der Gerichtsstrukturreform, insbesondere die Schaffung der Zweigstellen, der kritischen Begleitung. Angesichts allgemein sinkender Wahlbeteiligungen stehen auch die Rahmenbedingungen für Volksentscheide zur Diskussion.
Die Gegner der Gerichtsschließungen haben 83,2% der Stimmen bei dem Volksentscheid bekommen. Bei einer Wahlbeteiligung von 23,7% ist der Volksentscheid dennoch an dem Quorum gescheitert, wonach 1/3 der Wahlberechtigten diesen unterstützen müssen.
„Im Grunde ist der Volksentscheid gewonnen. Es gab eine starke Unterstützung für die Gegner der Gerichtsstrukturreform“, so Rechtsanwalt Ulrich Schellenberg, DAV-Präsident. Dies zeige die hohe Zustimmungsrate von 83,2%. Demgegenüber stünden lediglich 16,8%, die die Gerichtsstrukturreform mit einer Schließung von 11 von 21 Amtsgerichten unterstützten. „Die Landesregierung hat kaum Unterstützung für die Gerichtsschließungen erhalten“, so der DAV-Präsident weiter.
„Die Gegner der Gerichtsstrukturreform würden jetzt die größte Fraktion im Schweriner Landtag bilden“, ergänzt Rechtsanwalt Martin Lorentz, Vorsitzender des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern des DAV. Schließlich habe man 262.608 (vorläufiges Ergebnis) Unterstützer gegen die Gerichtsschließungen gewonnen. „Zur Erinnerung: Bei der letzten Landtagswahl konnte keine der großen Parteien so viele Stimmen auf sich vereinen (SPD 242.251, CDU 156.969)“, so Lorentz weiter. Dies sei also kein Sieg der Landesregierung. Man werde mit den Unterstützern des Volksentscheids kritisch die weitere Arbeit betrachten. „Jetzt kommt es auf eine gute Ausstattung auch der Zweigstellen an“, betont Lorentz. Auch werde man genau analysieren müssen, wie sich die Standorte, an denen ein Gericht geschlossen worden ist, generell wirtschaftlich weiter entwickeln. Schließlich würde das Vorhandensein eines Gerichts die wirtschaftliche Entwicklung einer Kommune fördern.
Debatte um Hürden für Volksentscheide
Nach dem Volksentscheid, der allein am Quorum gescheitert ist, wonach 1/3 der Wahlberechtigten, nicht der Beteiligten (!), diesen unterstützen müssen, wird es zu einer Debatte über diese hohen Hürden kommen. Hierzu erklärt der DAV-Präsident Schellenberg: „Man muss sich schon Gedanken darüber machen, ob es richtig ist, wenn die Politik selbst bei Landtagswahlen lediglich eine Wahlbeteiligung von 51,5% erreicht (Wahlbeteiligung Landtagswahl Mecklenburg-Vorpommern 2011), bei einem Volksentscheid 33,3% zu verlangen.“ Schließlich gehe es hier ja nur um eine einzelne Sachfrage, während es sich bei der Landtagswahl um die politische Ausrichtung für die gesamte Legislaturperiode handele.
Hintergrund
Nach wie vor hält der DAV-Landesverband in Mecklenburg-Vorpommern die Gerichtsstrukturreform mit der Schließung von 11 von 21 Amtsgerichten für falsch. Das Einsparpotenzial ist äußerst gering. Auch die Erreichbarkeit der Gerichte sinkt rapide. Ein Beispiel: Allein der größte Amtsgerichtsbezirk Ludwigslust hat ein Einzugsgebiet von 4.334,75 Quadratkilometern. Dies ist das 7,9-fache des derzeitigen Bundesdurchschnitts.
Der DAV wird sich weiterhin für einen ausreichenden Zugang der Bürgerinnen und Bürger zum Recht einsetzen. Dies bezieht sich auch auf die räumliche Erreichbarkeit. Da Zweigstellen nicht alle notwendigen Leistungen wie Gerichte zur Verfügung stellen, reichen diese nicht aus.
„Mit der Schließung und Zusammenlegung von Gerichten macht man die Justiz nicht zukunftsfest. Wir brauchen intelligente Lösungen, die auch bei rückläufigen Bevölkerungszahlen eine rechtliche Versorgung sicherstellt“, betont der DAV-Präsident Schellenberg.
Pressemitteilung (PM 34/15) / Deutscher Anwaltverein (DAV)