Kritik des BUND
Steigende Mengen von Reserveantibiotika im Stall…
Berlin: Anlässlich der heute vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) veröffentlichten Antibiotika-Abgaben der pharmazeutischen Industrie an Tierärzte kritisierte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) die zunehmende Verwendung von sogenannten Reserveantibiotika im Stall.
Die Menge herkömmlicher Wirkstoffe sinke zwar, doch Reserveantibiotika würden zum Teil in größerem Umfang eingesetzt, obwohl sie laut Weltgesundheitsorganisation besonders wichtig für die Therapie beim Menschen sind. Die Bundesregierung hatte angekündigt strengere Regeln für Reserveantibiotika im Stall zu erlassen, doch gehandelt habe der zuständige Agrarminister nicht. „Minister Christian Schmidt schaut bislang tatenlos nach Brüssel, von wo sogar noch Aufweichungen der bestehenden Regeln für Antibiotika im Futter drohen“, sagte die BUND-Agrarexpertin Reinhild Benning.
„In die Billigfleisch- und Milchproduktion in Deutschland gelangten im Jahr 2014 mehr als 1.200 Tonnen Antibiotika“, so die BUND-Expertin. „Ohne Antibiotika würden weit weniger Tiere die Schlachtbank erreichen, weil viele im System aus Höchstleistungszucht, Turbomast und enger Haltung im eigenen Kot erkranken.
Statt der vorherrschenden Zucht zu immer höherer Milch- und Fleischleistung in immer kürzerer Zeit, braucht es einen Wandel in der Tierhaltung“, so Benning. Der BUND forderte ein Verbot von Qualzucht, das Ende der erlaubten Verstümmelung von Tieren und angemessene Erzeugerpreise für Bauern. Diese Maßgaben seien die Voraussetzung für nachhaltige Zuchtziele, eine tiergerechte Haltung und die Verwendung von Futtermitteln aus heimischer Erzeugung.
„Die Tatenlosigkeit der Bundesregierung und der Preisdruck durch Discounter und exportfixierte Schlachthofkonzerne tragen dazu bei, dass der Antibiotikamissbrauch im Stall zum Alltag der Massentierhaltung gehört. Das widerspricht den Ankündigungen der Staats- und Regierungschefs beim G-7-Gipfel zum Schutz der ‚Einen Gesundheit von Mensch und Tier'“, sagte Benning.
Der BUND erwarte auch angesichts alarmierend hoher Werte von antibiotikaresistenten Keimen auf Fleisch ein gemeinsames Vorgehen von Bundesregierung und Bundesländern. „Bund und Länder tragen gemeinsam die Verantwortung für strenge Regeln gegen den noch immer zu hohen Einsatz von Antibiotika in industriellen Tierhaltungen.
Wir brauchen einen besseren gesetzlichen Tierschutz im Stall und eine verpflichtende Kennzeichnung des Tierschutzniveaus auf jedem Fleischprodukt“, forderte Benning. Verbraucher müssten die Chance erhalten, aktiv an der Kühltheke tierfreundliche bäuerliche Betriebe zu unterstützen, die in der Regel kaum Antibiotika benötigten.
Der BUND wies darauf hin, dass sich die Zunahme von Mega-Mastanlagen in Brandenburg auch in einem steigenden Antibiotikaeinsatz in der Postleitzahl-Region 16 niederschlage. Die Zahlen zeigten, dass das Volksbegehren gegen Massentierhaltung in Brandenburg besonders wichtig sei, um Menschen und Tiere langfristig vor den Risiken der Agrarindustrie zu schützen. Der BUND forderte die Bewohner Brandenburgs auf, das Volksbegehren zu unterzeichnen; dies sei in allen Kreisbehörden möglich.
Pressemitteilung BUND
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Kommentar – Dr. Marko Michels
Es zeigt sich wieder einmal, dass auch die Landwirtschaft mittlerweile ein profitorientierter Industriezweig ist. Die nostalgischen Zeiten von natürlichem Ackerbau und artengerechter Tierhaltung sind zum größten Teil längst vorbei. Mit „allen Mitteln“ wird versucht, innerhalb kürzester Zeit immer mehr pflanzliche und tierische Verzehr-Güter zu produzieren – „auf Teufel komm raus“. Wie meinte bereits eine habilitierte Ernährungswissenschaftlerin aus München: „Das, was wir in Supermärkten kaufen können, ist zu zwei Dritteln essbarer Müll!“. Zu Nebenwirkungen und Begleiterscheinungen fragt man dann wohl den Apotheker des jeweiligen Landwirtschaftsministers… Aber ernsthaft: Wann wird hier der Gesetzgeber deutlich aktiv?! Oder ist unsere Gesundheit nichts mehr wert…
Foto/Michels: Am besten: Back to the roots… Mehr Natur, weniger Chemie…