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Im Blickfeld: Snowboarderin Isabella Laböck und Ski-Freestylerin Lisa Zimmermann

Auf den aufrichtigen und sympathischen Sport kommt es an…

Zehn Monate vor den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang beginnt schon wieder etwas zutiefst Unsägliches, etwas, was meistens nach hinten los geht, weil man es nicht planen kann und planen sollte.

Aber: Es gibt schon wieder die besessenen Pläne- und Medaillenschmieder, die – anhand der Ergebnisse der aktuellen Weltmeisterschaften in den olympischen Wintersportarten – schon die Resultate für 2018 „errechnen“.

„Alles“ wird gut…

Und siehe da: Für Schwarz-Rot-Gold wird „alles“ gut. Nach Rang sechs in Sotschi 2014 kann, darf und sollte mit mindestens 20 x Gold geliebäugelt werden, mindestens 40 Medaillen sind möglich. Das wäre ein Rekord bei Winterspielen für eine Nation… Nun ist das Wunschdenken das eine, die Realität das andere. Olympia hat bekanntlich andere Gesetze und auch die Konkurrenz wird nicht schlafen.

Zu Recht werden Carina Vogt, Laura Dahlmeier, Natalie Geisenberger, Francesco Friedrich, Johannes Lochner, Toni Eggert, Sascha Benecken, Johannes Rydzek, Eric Frenzel, Andreas Wellinger, Felix Neureuther, Viktoria Rebensburg oder Nico Ihle umjubelt, aber tut man ihnen allen – und den vielen weiteren erfolgreichen Wintersportlerinnen und -sportlern – einen Gefallen, wenn man riesige Erwartungshaltungen aufbaut, ihnen Medaillen umhängt, die erst noch gewonnen werden müssen, und immensen Druck entwickelt.

Nein, sicher nicht. Zumal: Klappt tatsächlich alles nach Wunsch, ist das Ganze nur noch ein Abarbeiten des „Plansolls“. Die unbefangene und natürliche Freude am Sport, der Spass – all das geht verloren.

Was ist aus dem „Back to the roots!“ geworden?!

Vor drei, vier Jahren wollten die werten Sportfunktionäre, Sportpolitiker und Sportverbandsfürsten doch eigentlich alles anders machen. Olympia sollte zurück zu den Wurzeln. Der aufrichtige Sport sollte wieder im Vordergrund stehen – nicht die Funktionäre und Sponsoren. Keine Fünf-Sterne-Hotels mehr für die unsportive Hautevolee, keine sportlichen Retorten-Städte a la Albertville, Atlanta, Nagano, Turin oder Sotschi mehr. Keine Erbsen- und Medaillen-Zählerei mehr.

Geblieben ist davon nicht viel. Die Mundwinkel diverser Sportpolitiker und Sportfunktionäre mit dem Bundesadler zogen sich in Sotschi 2014 und in Rio 2016 verdächtig nach unten, als die „selbst gesteckten“ Ziele der deutschen Büro-Stuten und Büro-Hengste in den sportlichen Amtsstuben nicht eintrafen.

Die einzigen, die es – auch das zu Recht – eher mit einem Lächeln hinnahmen, waren die deutschen Sportlerinnen und Sportler selbst, die im Gegensatz zu manchen selbst erklärten Experten die entsprechende Fachkompetenz aufweisen.

Und wie gesagt: So wie früher der „Klassenfeind“ nicht schlief, so schläft heute ebenfalls die Konkurrenz nicht. Denn… Wie meinte schon „Radio Eriwan“ auf die Frage, was der Unterschied zwischen Sozialismus und Kapitalismus sei: „Im Kapitalismus wird der Mensch durch den Menschen ausgebeutet, im Sozialismus ist es genau umgekehrt…“

Deutschland und die Sport-Planer

Deutschland und der Hochleistungssport, besser deutsche Funktionäre und der Hochleistungssport. Das sind „ein Fälle für die Couch“. Der geneigte Sportfan fragt sich schon: „Wer will hier was anhand zahlenmäßig großer Medaillen-Sätze kompensieren?!“ Tja, die Minderwertigkeitskomplexe des deutschen Berufsfunktionärstums.

Her mit Bella und Lisa…

Schade, dass da zwei Winter-Sportlerinnen etwas in den Hintergrund rücken, die für einen Sport, ja für Sportwerte und Sportmentalitäten stehen, die sich jeder aufrechte Sportfan nur wünschen kann: Isabella Laböck, die Snowboarderin, und Lisa Zimmermann, die Ski-Freestylerin. Dass beide echte Hingucker sind, macht die Sache noch attraktiver…

Beide stehen für Sportarten, die erst spät ins olympische Programm gelangten – Ski-Freestyle seit 1992, nachdem es 1988 olympisch demonstriert wurde, und Snowboarden seit 1998 – und mit denen die knorrigen Sportfunktionäre zunächst, und eigentlich immer noch, nichts richtig anfangen können.

„Unordnung“ muss sein

Es wirkt dort alles so „unplanbar“, so „aufmüpfig“, so „unordentlich“ – und wenn einiges, gerade im deutschen Sport, nicht geht, dann ist es „Unordnung“. Frau Sportlerin und Herr Sportler müssen selbstverständlich vernünftig gekleidet sein und entsprechende politisch korrekte Antworten, vorzugsweise dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, geben. Denn mit dem „Zweiten sieht man besser“ und mit den „dritten kaut man kräftiger“.

Die trendigen Snowboarderinnen bzw. Snowboarder und Ski-Freestylerinnen bzw. -Freestyler werden ohnehin leider viel zu oft vergessen und ziemlich am Rande behandelt – zumindest von den „Entscheidungsträgern“ im deutschen Sport. Obwohl sie auch oder ganz besonders hochklassigen Sport präsentieren, ungemein leistungsbereit und so sympathisch bzw. bodenständig sind.

Ihnen wird sich oftmals nur zugewandt, wenn es Gold zu feiern gibt. So war  es auch anno 2013. Eine junge Bajuwarin, Isabella Laböck, Jahrgang 1986, eroberte im kanadischen Stoneham-et-Tewkesbury die Snowboard-Welt, siegte im Parallel-Riesen-Slalom und bewies, dass sich nie endender Kampfgeist bzw. Siegeswille am Ende durchsetzen. Vor allem stand und steht sie für eine Botschaft: Man darf sich nur nie aufgeben und sollte – auch in extrem widrigen und in extrem traurigen Zeiten – nie verzagen.

Eine echte Kämpferin und eine begnadete Sportlerin – Isabella Laböck

Auch dafür steht Isabella Laböck. Vor 17 Jahren musste sie mit ihrem älteren Bruder Dominik die Brandkatastrophe am österreichischen Kitzsteinhorn miterleben und vor 14 Jahren verlor sie Dominik, der sie als Sechsjährige zum Snowboarden animierte, bei einem schweren Verkehrsunfall.

Dominik, der sie einst zu ihrem Sport, dem Snowboarden, führte und ohne den Isabella damit auch nicht Weltmeisterin geworden wäre, widmete sie ihren Gold-Erfolg 2013. Diese Widmung – vielleicht ein noch größerer Moment als der Triumph in Kanada selbst.

Auf den Charakter kommt es an

Und es ist nicht so, dass mit Isabella seinerzeit eine junge Sportlerin kam, sah und siegte. Nein, dieser Erfolg war und ist gerade auch ein Produkt nicht nur großen Talentes, sondern auch harter Arbeit. Trainingsfleiß und Hingabe zum Sport sind ebenso gefragt, was häufig bei derartigen großen Erfolgen, wie bei jenem 2013 von Isabella, zudem zweifache Olympia-Teilnehmerin 2010 bzw. 2014, vergessen wird.

Auf die Frage nach der Zukunft der Olympischen Spiele meinte Isabella Laböck vor einiger Zeit nachdenklich und treffend: „Mit der olympischen Idee verbinde ich in erster Linie das größte Sportereignis auf der Welt, ein `Come-Together` aller Nationen, die bei sportlich fairen Wettkämpfen gegeneinander antreten. Das sollte man nicht vergessen und genau da sollte es auch wieder hingehen. Man sollte wieder an den Sport denken, denn das ist der Kern von Olympia…“

Bella beendet nun ihre große sportliche Karriere. Sie wird dem Wintersport, dem Snowboarden, mehr als fehlen.

Lisa – eine grosse Hoffnung für den sympathischen Sport

Lisa Zimmermann, Jahrgang 1996, ist ebenfalls eine Interpretin des anderen, des sympathischen Sportes. Unvergessen ihr Interview im GEZ-TV 2014 als sie einem verdutzten Sportjournalisten erklärte, der unbedingt eine am Boden zerstörte Sportlerin sehen wollte (Man hatte ihre Medaille eigentlich bereits eingetaktet, am Ende klappte es leider nicht mit Edelmetall…), dass sie dennoch zufrieden ist. Es präsentierte sich eine Sportlerin, die den Konkurrentinnen den Respekt nicht versagte und ihre Leistung entsprechend einordnete.

Lisa – zwischen Erfolgen und einem herben Rückschlag

Viel Jubel gab es dann 2015, als Lisa Slopestyle-Weltmeisterin am Kreischberg wurde, und Anfang 2017 X-Game-Siegerin beim „Big Air“ in Aspen – die erste deutsche X-Game-Siegerin überhaupt. Als erste Athletin stand sie dort einen „Switch Double-Cork 1080“. Das ist eine Sprungvariante mit drei kompletten Drehungen, also der „pure Wahnsinn“.

Nun jubelten sogar Sportjournalisten und Sportfunktionäre.

Aber: Nichts ist planbar, der Sport ist – wie das reale Leben – voller Unwägbarkeiten. Oder wie die Schauspielerin Jennifer Lawrence sagen würde: „Wir glauben, dass wir Kapitäne unseres Lebens sind. Wir sind jedoch nur Passagiere…“ Und Gäste im Leben.

Hoffentlich 2018 wieder „an Bord“

Bei der Qualifikation zum Weltcup in Mammoth Mountain Anfang Februar 2017 verletzte sich die Nürnbergerin Lisa Zimmermann schwer. Sie erlitt einen Kreuz- und Innenbandriss sowie eine Kapselverletzung im rechten Knie. Die WM in der Sierra Nevada 2017 musste ohne Lisa Zimmermann stattfinden. Aber – hoffentlich (!) – ist Lisa in Pyeongchang 2018 wieder „an Bord“.

Jetzt heisst es kämpfen und nicht verzagen. Wie meinte einmal der niederländische Eisschnellläufer Kees Verkerk, dessen Karriere von großen Siegen und herben Rückschlägen gepflastert war: „Du wächst, in dem du stürzt und wieder aufstehst!“

Alles Gute für Bella und Lisa!

Weitere Informationen unter www.snowboardgermany.com, www.deutscherskiverband.de und www.fis-ski.com .

Marko Michels

Foto (Michels): Eigentlich gibt es nur eine (Sport-)Welt. Wann wird Olympia wieder ein aufrichtiges „Come-Together“ der Nationen?!

 

 

 


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