Der Turnsport 2017: Zwischen EM, WM und dem Turnier der Meister
Nachgefragt bei Mirko Wohlfahrt Turnier-Direktor des Turniers der Meister in Cottbus
Das nächste „Turnier der Meister“ in Cottbus wird vom 23.November bis 26.November in der Lausitz-Arena ausgetragen – wie gewohnt…
Dessen „sportliche Keimzelle“ ist allerdings der internationale Turn-Wettkampf 1973 in Schwerin, bei dem Irene Abel und Wolfgang Thüne die Mehrkämpfe für sich entschieden.
Auch Turnerinnen aus M-V spielten beim „Turnier der Meister“ oft eine gute aktive Rolle. Die gebürtige Rostockerin Jana Günther (Olympia-Teilnehmerin 1992) gewann 1993 in Cottbus den Mehrkampf der Frauen und die gebürtige Rostockerin Kathleen Stark-Kern (Olympia-Teilnehmerin 1992, 1996) „holte“ 1997 an gleicher Stelle beim Sprung-Wettkampf Gold. Außerdem belegte der gebürtige Neustrelitzer Ulf Hoffmann, unter anderem ebenfalls Olympia-Zweiter 1988 mit der DDR-Riege, beim dortigen Mehrkampf Platz eins 1985.
Inzwischen ist das „Turnier der Meister“ ebenfalls eine Weltcup-Stationen, die 2017 vom 23.November bis 26.November ausgetragen wird.
Davor gibt es ganz wichtige Meisterschaften, so die EM vom 19.April bis 23.April in Cluj Napoca (Rumänien) und die WM vom 2.Oktober bis 8.Oktober in Montreal.
Wie beurteilt der Turnier-Direktor Mirko Wohlfahrt die Entwicklung des „Turniers der Meister“?!
Nachgefragt
M.Wohlfahrt über turnsportlich Vergangenes und Kommendes
Frage: Acht Monate dauert es noch bis zum 42.“Turnier der Meister“ in Cottbus. Mit wie vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern rechnen Sie?
Mirko Wohlfahrt: Wir werden etwa im Mai die Ausschreibungsunterlagen über den Weltturnverband an alle Mitgliedsverbände senden und erwarten eine Teilnehmerzahl, die sich oberhalb der der bisherigen drei Weltcups in diesem Jahr bewegt, so in Melbourne in Baku und in Doha.
Frage: Noch ein kurzer Rückblick auf 2016… Was waren aus Ihrer Sicht die sportlichen und organisatorischen Highlights der letzten Veranstaltungen?
Mirko Wohlfahrt: Wir hatten ja die herausfordernde Besonderheit, dass wir in 2016 zwei Veranstaltungen in dieser Größenordnung zu stemmen hatten, einmal das geplante Turnier der Meister im Frühjahr als Teil der Challenge-Cup Serie der F.I.G. und dann nochmal im November als Auftakt der Weltcup-Serie. Sportlich waren beide gekennzeichnet durch Weltklasse, besonders im Frühjahr im Hinblick auf die Olympiavorbereitung und im Herbst durch eine Mischung von Routiniers und vieler junger Gesichter, bereits im Hinblick auf Tokio 2020.
Frage: Wie beurteilen Sie die Stellung des „Turniers der Meister“ im internationalen Turn-Kalender? Was ist das Besondere, das „Alleinstellungsmerkmal“ der Wettkämpfe in Cottbus?
Mirko Wohlfahrt: Das Turnier der Meister reiht sich in die Top-Acht-F.I.G. Veranstaltungen mit Weltcupstatus ein, davon vier im Mehrkampf und vier an den einzelnen Geräten ein, ergänzt durch weitere vier Challenge-Cups.
„Turnier der Meister – das ist die Erfolgsgeschichte einer Sportveranstaltung, die mit zwei eher regional bedeutenden Turnieren – mit internationaler Beteiligung – in Schwerin (1973) und Berlin (1978) ihren bescheidenen Anfang nahm und inzwischen zum Kreis der bedeutendsten Turn-Turniere der Welt zählt. Bestand das Turnier bis zum Jahr 1993 aus einem schlichten Mehrkampf mit einer Turn-Übung an jedem Gerät und den anschließende Gerätfinals, schloss man sich ab 1994 der Grand-Prix-Veranstaltungsserie an, um gemeinsam mit verschiedenen europäischen Ausrichtern eine noch höhere Attraktivität zu erreichen. Ziel war es, durch eine Vernetzung von Turnveranstaltungen die Stars der Turn- Szene zu binden. Das ist gelungen.
Mit der Anerkennung als World Cup-Turnier des Internationalen Turnerbundes (FIG) konnte ein weiterer Qualitätssprung erreicht werden, der die Attraktivität der Veranstaltung für die Turnnationen in aller Welt und zugleich die Publikums-Begeisterung der Cottbuser für »ihr« Turnier um ein Vielfaches steigerte.
Seit nunmehr über zwei Jahrzehnten ist die gesamte Weltelite des Turnens in Cottbus zu Gast. Dass der Name des Turniers absolut berechtigt ist, belegt nicht nur die gewachsene, fast schon historische Begeisterung der Turnfans an dieser Veranstaltung, sondern vor allem das große Interesse der Athleten, die sich immer wieder in Cottbus präsentieren.“
Frage: Werden eigentlich zum 42.“Turnier der Meister“ auch Turnerinnen und Turner von einst vor Ort sein? Gibt es auch ein entsprechendes Rahmenprogramm?
Mirko Wohlfahrt: Wer kann, kommt ran! Wir organisieren zumindest die Möglichkeiten.
Letzte Frage: Wo können die Turnsport-Interessierten Karten erhalten?
Mirko Wohlfahrt: Noch gar nicht, wir sind da noch in Verhandlungen. Ich denke ab Mai. Informationen gib es dazu auf der offiziellen Homepage turnier-der-meister.de
Vielen Dank und weiterhin maximales Engagement für den Turnsport!
Marko Michels
Exkurs: Der Turnsport zwischen Vergangenheit und Gegenwart – auch in M-V
Aber auch 2017 wird ein Jahr des Turn-Sportes, das wieder regionale Meisterschaften in M-V, nationale Meisterschaften und internationale Meisterschaften im Turnsport beinhalten wird.
Höhepunkte sind dabei das Internationale Deutsche Turnfest vom 3.Juni bis 10.Juni in Berlin oder auch die verschiedenen Europameisterschaften, so jene im Geräte-Turnen vom 19.April bis 23.April in Cluj-Napoca (Rumänien), in der Rhythmischen Sportgymnastik vom 19.Mai bis 21.Mai in Budapest, in der Sport-Aerobic vom 22.September bis 24.September in Ancona (Italien) und in der Sportakrobatik vom 13.Oktober bis 15.Oktober in Rzeszow (Polen).
Weltmeisterlich wird es 2017 ebenfalls. So stehen unter anderem die Welt-Titelkämpfe in der Rhythmischen Sportgymnastik in Pesaro vom 29.August bis 3.September und im Geräte-Turnen in Montreal vom 2.Oktober bis 8.Oktober auf dem Programm.
Turnsportliche Glanzpunkte nicht nur aus M-V-Sicht
Von Mexico-City 1968…
Den turnsportlichen Medaillen-Anfang „für M-V“ machte 1968 die gebürtige Rostockerin Marianne Noack, die 1968 mit der DDR-Riege Olympia-Bronze in Mexiko-City gewann und bei den WM 1970 Silber mit der Mannschaft erkämpfte. Die ebenfalls in Rostock geborene Christine Schmitt, Jahrgang 1953, gehörte 1968 als Ersatz-Turnerin zur olympischen DDR-Turnauswahl. Ihren endgültigen internationalen Durchbruch feierte sie mit WM-Bronze auf dem Schwebebalken 1970 (plus Team-Silber).
Bei den Spielen 1968 in Mexico-City war Vera Caslavska aus der Tschechoslowakei mit viermal Gold, zweimal Silber die überragende Turnerin. Bei den Turnern setzten die Japaner Akinori Nakayama (4 x Gold, 1 x Silber, 1 x Bronze) und Sawao Kato (3 x Gold, 1 x Bronze) die massgeblichen Akzente. Die meisten Turn-Medaillen 1968 holte die Sowjetunion mit 18.
…über München 1972…
Höhepunkt der Karriere von Christine Schmitt war dann noch Olympia-Silber mit der Mannschaft bei Olympia 1972 in München. In München 1972 gewann der Rostocker Reinhard Rychly ebenfalls eine olympische Turn-Medaille. Mit der DDR-Mannschaft errang er Bronze hinter Japan und der Sowjetunion. Bei den Spielen 1972 in München waren Japan und die Sowjetunion mit jeweils 16 Medaillen die erfolgreichsten Turn-Länder, wobei die Weissrussin Olga Korbut (3 x Gold, 1 x Silber) und der Japaner Sawao Kato (3 x Gold, 2 x Silber) ganz besonders jubeln konnten. Gold aus deutscher Sicht gab es für Karin Janz (Sprung und Stufenbarren) und Klaus Köste (Sprung).
… bis Moskau 1980 und Seoul 1988
Die Hoffmann-Brüder Lutz und Ulf – mit “Neustrelitzer Wurzeln” – setzten die internationalen Erfolge im Kunstturnsport für M-V 1980 bis 1988 fort: Bei den Olympischen Spielen erturnte Lutz Hoffmann mit der DDR-Riege den 2. Platz. Sein jüngerer Bruder Ulf war dreimal auf einem Olympia- bzw. WM-Podest. Jeweils mit den DDR-Teams belegte er bei den WM 1985 und 1987 den Bronze-Rang; bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul gab es sogar Silber. Das erfolgreichste Turn-Land 1980 in Moskau und 1988 in Seoul war jeweils die Sowjetunion (1980: 9 x Gold, 8 x Silber, 5 x Bronze und 1988: 11 x Gold, 5 x Silber, 3 x Bronze). In Moskau erkämpfte der Russe Alexander Ditjatin 3 x Gold, 4 x Silber, 1 x Bronze und die Rumänin Nadia Comaneci 2 x Gold, 2 x Silber. Aus deutschem Blickwinkel gab es 1980 goldene Momente für Maxi Gnauck (Stufenbarren) und Roland Brückner (Boden). In Seoul`88 war die erfolgreichste Turnerin bzw. der erfolgreichste Turner Daniela Silivas (Rumänien, 3 x Gold, 2 x Silber, 1 x Bronze) bzw. Wladimir Artjomow (Sowjetunion, 4 x Gold, 1 x Silber).
Auch nach 1985 olympische Starts von Turnerinnen aus M-V
Drei weitere Turnerinnen aus Rostock konnten ebenfalls an olympischen Wettkämpfen teilnehmen: Christine Thoms, die als Ersatz-Turnerin bei den Spielen 1988 in Seoul fungierte, als die DDR-Riege Dritte wurde, Kathleen Kern-Stark, die 1992 und 1996 für den DTB startete, und Jana Günther, die 1992 olympisch turnte. Zudem war die gebürtige Neubrandenburgerin Yvonne Pioch Teilnehmerin an den olympischen Turn-Wettkämpfen 1992. Die besten Turn-Nationen 1992 und 1996 waren das Nachfolge-Team der Sowjetunion, die „Gemeinschaft Unabhängiger Staaten“ (GUS), und Russland. Die GUS errang 1992 in Barcelona neunmal Gold, fünfmal Silber, viermal Bronze und Russland 1996 in Atlanta dreimal Gold, zweimal Silber, dreimal Bronze. Andreas Wecker schaffte für die deutsche Turn-Mannschaft 1996 Gold am Reck.
Vor 65 Jahren: Eine Ludwigslusterin bei den Spielen
Und die gebürtige Ludwigslusterin Brigitte Kiesler turnte 1952 als Mitglied der westdeutschen Riege bei den Olympischen Spielen in Helsinki. Damals war die Sowjetunion mit 9 x Gold, 11 x Silber, 2 x Bronze Turn-Nation Nummer eins. Die beste Turnerin bzw. der beste Turner kam seinerzeit aus der Ukrainischen SSR: Maria Gorochowskaja mit 2 x Gold, 5 x Silber und Wiktor Tschukarin mit 4 x Gold, 2 x Silber.
… Turnsportliche Rand-Anmerkung für M-V: Der renommierteste Turn-Verein in M-V der Gegenwart ist der bereits erwähnte Hanse-Turn-Verein in Rostock, der 2005 gegründet wurde. Der älteste Turnverein in M-V, zugleich der älteste in ganz Deutschland, ist der TSV Friedland 1848.
Marko Michels
Zur Info: Turn-EM in Cluj/Besetzung der deutschen Turner steht fest
Nach der letzten EM-Qualifikation für die deutschen Turn-Männer am Sonntag (02.04.17) im Rahmen des Trainingslagers im Bundesleistungszentrum Kienbaum steht nun die Besetzung für die Titelkämpfe vom 19. bis 23. April in Cluj (ROU) fest. Der Deutsche Turner-Bund wird die Einzel-EM mit Philipp Herder (SC Berlin), Christopher Jursch (SC Cottbus), Lukas Dauser (TSV Unterhaching), Marcel Nguyen (TSV Unterhaching), Ivan Rittschik (KTV Chemnitz) und Felix Remuta (TSV Unterhaching) bestreiten.
Auf diese sechs Athleten legte sich Cheftrainer Andreas Hirsch in Kooperation mit dem DTB-Lenkungsstab fest. „Auf dem Weg der EM-Qualifikation haben sich bei uns besondere Stärken am Barren herausgestellt durch Marcel Nguyen und Lukas Dauser. Mit Blick auf die kommende Olympia-Qualifikation müssen wir zudem stabile Mehrkämpfer entwickeln. Wir wollen versuchen, Lukas Dauser und Philipp Herder an diese Rolle heranzuführen. Aber auch jüngere Turner wie Felix Remuta oder Einzel-Könner wie Ivan Rittschik und Christopher Jursch sollen eine Chance bekommen“, erklärte Andreas Hirsch.
Die Gerätbesetzung sieht somit wie folgt aus: Herder, Jursch, Dauser alle Mehrkampf, Nguyen Ringe und Baren, Rittschik Reck und Pauschenpferd, Remuta Boden und Sprung.
Die EM-Besetzung der Frauen stand bereits am 18. März fest. Cheftrainerin Ulla Koch einigte sich mit dem DTB-Lenkungsstab auf Tabea Alt (MTV Ludwigsburg), Kim Bui (MTV Stuttgart), Pauline Schäfer (TuS Chemnitz-Altendorf) und Elisabeth Seitz (MTV Stuttgart) als deutsche Vertreterinnen.
Torsten Hartmann / Presse / Deutscher Turner-Bund
Foto (Mirko Wohlfahrt, Turnier-Direktor des Turniers der Meister in Cottbus)