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Der Frauen-Handballsport in Deutschland und speziell in M-V

Nachgefragt bei Klaus-Dieter Soldat von der TSG Wismar

In diesem Jahr finden noch im Dezember die Frauen-Handball-WM in Dänemark statt, eine wichtige Standortbestimmung für das olympische Frauen-Handball-Turnier 2016…

M-V und dessen großen Tradition im Frauen-Handballsport

Mecklenburg-Vorpommern hat ja dabei eine große WM-Tradition im Frauen-Handball, denn der Vergangenheit hatten Mecklenburgerinnen und Vorpommerinnen schon große weltmeisterliche Erfolge feiern können. Zum DDR-Weltmeister-Team 1971 gehörte nämlich auch die gebürtige Rostockerin Hannelore Burosch (SC Empor Rostock).

Vier Jahre später gab es wieder einen Weltmeistertitel für die DDR – mit der gebürtigen Dresdnerin Eva Paskuy in Diensten des SC Empor Rostock, mit der gebürtigen Perlebergerin Christina Lange, verheiratete Voß, die für den SC Empor Rostock agierte, und wieder mit Hannelore Burosch.

In der goldenen weltmeisterlichen DDR-Mannschaft 1978 spielten erneut Hannelore Burosch und Sabine Röther, die gebürtige Rostockerin und Empor-Spielerin.

WM-Gold 1993 für „Team Germany“

Vor 20 Jahren, 1993 in Norwegen, konnten das deutsche Team mit drei Mecklenburgerinnen das letzte WM-Frauen-Gold erobern. Zur DHB-Auswahl`93 gehörten seinerzeit die gebürtige Wismarerin Heike Axmann, geborene Dombrowski, von 1983 bis 1990 SC Empor Rostock, die gebürtige Rostockerin Andrea Bölk, geborene Stein, auch von 1983 bis 1990 SC Empor Rostock und die gebürtige Rostockerin Birgit Wagner, verheiratete Peter, bis 1990 ebenfalls beim SC Empor Rostock.

Olympia-Medaillen für die M-V-Handball-Frauen

Die bisherigen olympische Medaillen für den Frauen-Handballsport „Made in M-V“ sind zudem eine weitere Bestätigung für die hervorragende sportliche Arbeit in der Frauen-Handball-Hochburg M-V … Ja, olympische Edelmetall gehörte in der Vergangenheit tatsächlich zur Ausbeute von Rostocker Handball-Spielerinnen. Im silbernen DDR-Team bei Olympia in Montreal 1976 waren Hannelore Burosch, Gabriele Badorek (auch in Rostock geboren und beim HC Empor Rostock), Eva Paskuy und Christina Voß Leistungsträgerinnen und in der bronzenen DDR-Nationalmannschaft bei Olympia in Moskau 1980 war ebenfalls Sabine Röther dabei.

Aber: Das ist alles Vergangenheit…

Die Realitäten in puncto Frauen-Handball in M-V sind 2015 andere. Die TSG Wismar wurde als bester Frauen-Verein in M-V Dritter in der dritten Liga. Grün-Weiß Schwerin stieg dort ab. Der Rostocker HC mußte in die Relegation um den Aufstieg in Liga drei. Neubrandenburg kämpfte hingegen gegen den Abstieg aus besagter Ostsee-Spree-Liga…

KDSoldatWie beurteilt nun Klaus-Dieter Solat, Manager der TSG Wismar, die Situation im Frauen-Handballsport in M-V 2015…

K.-D. Soldat über den Frauen-Handballsport in Wismar, in ganz M-V und auf nationaler Ebene

„Mit vielen ehrenamtlichen Helfern das Maß der Dinge…“

Frage: Herr Soldat, erst einmal Glückwunsch zum besten Frauen-Handball-Verein aus M-V 2014/15. Wie lautet Ihr Rückblick zur Saison der Wismarer TSG-Handball-Damen?

Klaus-Dieter Soldat: Danke für die Glückwünsche. Es war eine tolle Saison für uns. Bis zum 28.Februar 2015 hatten wir 33:3 Punkte erspielt, dann folgte vor 1100 Zuschauern in Wismar gegen den am Ende verdienten Aufsteiger zur 2.Bundesliga, TuS Walle Bremen, die erste 21:23 Saison-Niederlage. Danach ließen Kraft und Konzentration bedingt durch Krankheit, Arbeitsverpflichtungen oder vorzeitige Abgänge von Spielerinnen wie J.Wenig oder I.Vujica etwas nach. Dennoch wurde es mit nur drei Minuspunkten hinter Bremen und zwei hinter Kropp-Tetenhusen am Ende ein hervorragender dritter Platz. Wer hätte uns das vor Saisonbeginn zugetraut!

Punktuell hatten wir mit unserem Personalbestand und dem Trainerteam mit Marina Bratenkowa und Ronald Frank eine optimalen Zuschnitt zustande bekommen. Der Zuschauerzuwachs in Heimspielen und die drei Auswärtstouren mit Fan-Bus-Einsätzen sind unbestritten Anerkennung für den Gesamt-Verein und die Mannschaft in der Saison 2014/15.

Frage: Aber… Liga eins und zwei scheinen außer Reichweite für M-V-Frauen-Teams! Dabei gab es ja, wie einleitend erwähnt, einmal glorreiche Zeiten für den Frauen-Handballsport im deutschen Nordosten. Aus Ihrer Sicht: Was sind die Gründe für den Niedergang des Frauen-Handballsportes in M-V nach der Wende?

Klaus-Dieter Soldat: Mit der Reduzierung aller Bundesligen (1.Liga gegenwärtig 14 Teams) und 2.Liga von zwei Staffeln (Nord und Süd) in eine eingleisige mit gegenwärtig 14 Mannschaften, der Abschaffung der Regionalliga und der Einführung einer 3.Liga in vier Staffeln a 14 Mannschaften (gesamt 56 Teams) verlief eine konträre Entwicklung.
Für die kommende Serie 15/16 ist noch unbestätigt ein Spielmodus von 6 Staffeln mit acht Mannschaften (somit erneute Reduzierung auf nunmehr 48 Drittliga-Teilnehmern mit Playoff- und -down) angedacht.

Seit etwa 10 Jahren werden diese Experimente zur zielgerichteten Stärkung der Frauen-Nationalmannschaft vorangetrieben. Allerdings sind bei WM/EM als auch Olympia im genannten Zeitraum keine Platzierungen gelungen.

Im Gegenteil, viele Enttäuschungen und Trainerwechsel ohne Wirkung sind aufgelaufen. Der „Norden“ ist mannschaftsmäßig bis auf einige Spitzenklubs ausgeblutet. Neben demografischen und vereinsstrukturellen Besonderheiten führt diese Zentralentscheidung nicht zum Gesamterfolg.

Regional unterschiedlich verlieren wir gegenüber dem Frauenfußball immer mehr „Aktive“ und das stimmt mich traurig. Unsere Landesstützpunktvertreter Schwerin steigt ab, der Rostocker HC ist in der Qualifikation gegen Markranstädt und Fortuna Neubrandenburg ist noch tiefer angesiedelt.

Wir sind ein Zehnspartenverein und sind im Augenblick das Maß der Dinge im Land, mit vielen ehrenamtlichen Helfern. Wie lange noch…

Frage: Wie müßte aus Ihrer Sicht das „gegensteuern“ aussehen, damit der Frauen-Handball-Sport in M-V wieder erfolgreicher wird?

Klaus-Dieter Soldat: Es gibt kein Rezept, keine echten zeitnahen Vorschläge. Da müsste sich der DHB ganz einfach mehr mit den Landesverbänden und einzelnen Vereinen für den Frauenhandball abstimmen sowie engagieren, um über die Breite auch Leistung zu unterstützen und zu fördern. Aber leider ist die Lobby des Frauenhandballs nicht so stark und der kürzliche Rücktritt der nicht zwei Jahre andauernde DHB-Präsidentschaft von Bernhard Bauer ist ein Ausdruck hierfür. Also: „Hilf dir selbst, so lange es geht!“, lautet die Losung regional.

Frage: Der deutsche Frauen-Handballsport, gerade das Nationalteam, hat sich in den vergangenen Jahren nicht gerade „mit Ruhm bekleckert“. Was läuft auch dort schief?

Klaus-Dieter Soldat: Das knüpft an meine vorigen Ausführungen an. Es ist nicht gelungen, ein erfolgreiches Trainer-Team zu engagieren, welches mit allen Vereinen, welche Nationalspielerinnen bereitstellen, innerhalb der Handball-Bundesliga der Frauen optimal die Auswahlspielerinnen zusammenzustellen sowie zu entwickeln und einzusetzen. Die Gesamtstrategie ist nicht aufgegangen, denn der THC Erfurt und der HC Leipzig kommen als deutsche Spitzenklubs nur über zahlreichen Ausländerinnen in internationale Klub-Wettbewerbe.

Frage: Hat aus Ihrer Sicht Frauen-Handball in Deutschland überhaupt eine gute Zukunft?

Klaus-Dieter Soldat: Schwierig, aber gegenwärtig wird ja versucht, mit dem neuen Bundestrainer Jakob Vestergaard aus Dänemark und Teammanagerin Grit Jurack bessere Zeiten einzuleiten. Für uns ist viel erfreulicher festzustellen, dass Jessica Oldenburg vom Buxtehuder SV, die inzwischen auch für die Nationalmannschaft nominiert wurde, in Wismar bis zur A-Jugend das Handball spielen erlernte. Insofern ist aber sehr viel Arbeit, etwas Glück und nicht zuletzt neue Strategien erforderlich, um zukünftig mehr internationale Leistung zu entwickeln. Hierzu wünschen wir viel Erfolg und versuchen „im Kleinen“, unseren bescheidenen Beitrag zu leisten.

Vielen Dank und der TSG Wismar bzw. Ihnen weiterhin bestes handballsportliches Engagement!

Marko Michels


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